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Nichterfüllung vertraglicher Pflichten wegen der Corona-Pandemie in Russland. Was soll man tun?
Обновлено: 16 июл. 2020 г.

Zur Frage der Corona-Pandemie als höhere Gewalt im russischen Recht
Die Corona-Pandemie ist für jeden von uns zu einer großen ernsthaften Herausforderung geworden: für Bürger, für Unternehmen und für Juristen. Die Situation im internationalen Geschäft ist aufgrund der Schließung von Grenzen, der Einstellung von Flügen und neuer rechtlicher Herausforderungen viel komplizierter geworden. Gleichzeitig werden wir die Folgen der Pandemie für viele Jahre überwinden und spüren. Beispielsweise haben einige Unternehmer bereits Benachrichtigungen von ihren Vertragsparteien erhalten, dass die Erfüllung finanzieller Verpflichtungen aufgrund der schwierigen finanziellen Situation aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich ist. Was ist, wenn Ihr Partner ein russisches Unternehmen ist? Ist es nach russischem Recht möglich, eine Corona-Krise als Ereignis höherer Gewalt zu betrachten? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie unten.
Corona-Pandemie und höhere Gewalt: Ist es möglich,Verpflichtungen aus der Sicht des russischen Rechts nicht zu erfüllen?
Die Ausbreitung des Coronavirus in Russland begann mit der Hauptstadt Moskau und damit Russlands erste Bestimmungen über die Coronavirus-Pandemie als höhere Gewalt erschienen genau in einem Erlass des Moskauer Bürgermeisters Sergei Sobyanin Nr. 12-UM, in dem die Pandemie als „außergewöhnlicher und unvermeidbarer Umstand“ bezeichnet wurde, der „die Einführung eines verstärkten Alarmregimes zur Folge war, das ein Ereignis höherer Gewalt (Force majore) ist“.Dieser Erlass des Moskauer Bürgermeisters an sich ist jedoch keine Grundlage zur automatischen Anwendung der zivilrechtlichen Folgen höherer Gewalt auf die Beziehungen der Parteien.
In Russland sind die Regeln für höhere Gewalt in Art. 401 Abs. 3 des Zivilgesetzbuches Russlands (im Folgenden auch „ZGB“) enthalten. In Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Artikels:
Sofern gesetzlich oder vertraglich nichts anderes bestimmt ist, haftet eine Person, die eine Verpflichtung bei der Ausübung unternehmerischer Tätigkeit nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, wenn sie nicht nachweist, dass eine ordnungsgemäße Leistung aufgrund höherer Gewalt, d. h. außergewöhnlicher und unvermeidbarer Umstände unter den gegebenen Bedingungen, nicht möglich war. Zu diesen Umständen gehören insbesondere nicht die Verletzung von Verpflichtungen der Gegenparteien des Schuldners, das Fehlen von Waren, die für die Ausführung auf dem Markt erforderlich sind, oder das Fehlen der erforderlichen Mittel des Schuldners.
Man muss jedoch daran erinnern, dass Vorschriften über höhere Gewalt in den Quellen des internationalen Handelsrechts enthalten sind und im internationalen Handelsverkehr weit verbreitet sind (siehe beispielsweise Artikel 7.1.7 der UNIDROIT-Grundregeln für internationale Handelsverträge, Artikel 79 des UN-Kaufrechts usw.). Die Bestimmungen internationaler Rechtsakte (insbesondere des UN-Kaufrechts) sollten insbesondere für Unternehmer mit internationalen Verträgen berücksichtigt werden, bei denen die Anwendung des Wiener Übereinkommens im Vertrag ausdrücklich nicht ausgeschlossen ist.
Die Auslegung des Begriffs „Umstände höherer Gewalt“ im Sinne von Art. 401 ZGB wurde vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation in einem Beschluss des Plenums vom 24. März 2016 Nr. 7 постановлении Пленума от 24 марта 2016 г. № 7gegeben. Gemäß Punkt 8 dieses Beschlusses ist es zur Anerkennung eines Umstands höherer Gewalt erforderlich, dass er außergewöhnlich, unter den gegebenen Bedingungen unvermeidlich und in Bezug auf die Tätigkeit des Schuldners äußerlich ist.
In der russischen und internationalen Praxis gibt es ein bisschen unterschiedliche Ansätze für den Wortlaut und den Inhalt des Konzepts höherer Gewalt. Es ist jedoch äußerst wichtig zu verstehen: Höhere Gewalt (force majore) ist keine Grundlage für die Nichterfüllung einer Verpflichtung oder deren Erlöschen, wenn eine solche Leistung nach dem Verschwinden der Umstände höherer Gewalt möglich bleibt. Höhere Gewalt kann nur die Grundlage für die Befreiung von der Haftung für die Nichterfüllung bzw. mangelhafte Erfüllung einer bestimmten Verpflichtung sein. Wie der Oberste Gerichtshof der Russischen Föderation bemerkt:
„Wenn die Umstände höherer Gewalt nur vorübergehend sind, kann die Partei für einen angemessenen Zeitraum von der Haftung entbunden werden, wenn die Umstände höherer Gewalt die Erfüllung der Verpflichtungen der Partei behindern.“
Das wichtigste Prinzip des Vertragsrechts bleibt unantastbar: pacta sunt servanda („Verträge müssen eingehalten werden“). Falls beispielsweise eine Vertragspartei aufgrund höherer Gewalt seine Geldverpflichtung rechtzeitig nicht erfüllen kann, darf die andere Partei nicht mit den Zinsen (Vertragsstrafen) rechnen, die sie unter normalen Bedingungen erwarten könnte, oder mit dem Ersatz der Schäden, die durch Nichterfüllung verursacht werden.
Darf man einen Vertrag wegen der Corona-Pandemie nach russischem Recht kündigen oder ändern?
Wie der Oberste Gerichtshof der Russischen Föderation feststellte: „Sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht und sich nicht aus seinem Wesen ergibt, können solche Umstände, die die Parteien beim Vertragsabschluss nicht vorhersehen konnten, Gründe für die Änderung und Kündigung der Verträge gemäß Art. 451 ZGB sein, wenn bei Vorhandensein dieser Umstände der Vertrag nicht oder zu wesentlich anderen Bedingungen abgeschlossen worden wäre. Das heißt, alles wird vom Gericht in Bezug auf jeden Einzelfall festgelegt.
Voraussetzungen der Anwendbarkeit höherer Gewalt auf die Schuldverhältnissenach russischem Recht
Um höhere Gewalt geltend zu machen, sind dafür ausreichende Gründe erforderlich. Die Corona-Pandemie selbst wirkt sich nicht direkt darauf aus, Business zu machen, und wie das Präsidium des Obersten Gerichtshof Russlands betonte, konnte dieser Umstand „nicht für alle Kategorien von Schuldnern universell sein, unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit, den Bedingungen für ihre Umsetzung, einschließlich der Region, in der eine Organisation seine Tätigkeit ausübt“.
Es wirken sich auf das Geschäft und Verpflichtungen die von der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingeführten restriktiven Maßnahmen aus. Opfer sind daher in erster Linie Unternehmen, deren Tätigkeit durch Präsidentenerlassen und regionale Verwaltungen direkt eingestellt wurde: Restaurants, Einkaufszentren, Kinos, Sportvereine, Schönheitssalons, Bauarbeiten usw. Wenn das Management eines Unternehmens die Entscheidung getroffen hat, eine Ausfallzeit zu melden oder Aktivitäten auszusetzen / zu beenden, entbindet es das Unternehmen auch nicht von seinen Verpflichtungen.
Es ist rechtlich nicht erlaubt, sich einseitig als „betroffenes“ Unternehmen zu betrachten.Organisationen und Unternehmer, die nicht auf der „geschlossenen Liste von Betroffenen“ stehen, können sich nur dann auf höhere Gewalt beziehen, wenn sie aus objektiven und unvermeidlichen Gründen gezwungen waren, ihre Aktivitäten einzustellen, und nicht darum, weil das Geschäftsleben nachgelassen hat, die Nachfrage gesunken ist und sie seinen Mitarbeitern Löhne nicht auszahlen können. Das wichtigste Kriterium für die Anwendbarkeit von Umständen höherer Gewalt ist daher eine Kausalität zwischen einem bestimmten Ereignis (das tatsächlich als höhere Gewalt anerkannt wird) und seinen Folgen für einen bestimmten Subjekt. Dieser Kausalzusammenhang wird nur vom Gericht (und nicht z. B. vom Moskauer Bürgermeister von Moskau) für jeden Einzelfall festgestellt.
Es ist auch wichtig, dass die Partei, die sich auf höhere Gewalt bezieht, alle möglichen Maßnahmen ergreifen sollte, um seiner Verpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen. Die externen Umstände sollten dabei aber stärker sein. Daher muss ein weiteres wichtiges Kriterium vorliegen – der gute Glaube der Vertragspartei. Es ist unwahrscheinlich, dass das Gericht den Unternehmer von der Haftung befreit, der wollte, beispielsweise die Miete oder die Zahlung für die gelieferte Ware nicht zu zahlen, indem er einfach die Pandemiesituation ausnutzt.
Um sich auf höhere Gewalt beziehen zu können, benötigt man eine rechtliche (dokumentarische) Bestätigung, die entweder vor Gericht oder durch Erlangung eines Sonderzertifikats bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation erhältlich sind. Das heißt, die Rechtfertigung der Gründe für die Nichterfüllung von Verpflichtungen muss von einer autorisierten Behörde überprüft werden. Ansonsten bleiben Verweise auf höhere Gewalt unbegründet und werden von der Haftung gegenüber Kontrahenten nicht entbinden.
Für alle Fragen der Rechtsberatung sowie Interessenverteidigung vor russischen Gerichten steht das Team von SKS Confidence Law Firm jederzeit gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns per E-Mail info@sksconfidence.com oder telefonisch unter +7 (495) 198 04 00.
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Dipl.-Jur. (MGU)